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#9.2 Römer 14 und die Gewissensfrage – Vers 2 und Schweinefleisch

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Herzlich willkommen zu der Auslegungsreihe von Römer 14. Wir befinden uns hier beim dritten Beitrag der Reihe. Zu den vorherigen Beiträgen kommst du hier:

#9.0 Römer 14 und die Gewissensfrage
#9.1 Römer 14 und die Gewissensfrage – Vers 1

Dieser Beitrag wird sich um den Vers 2 drehen und ihn etwas beleuchten.

Die Handlungsweise der „Starken“ und des „Schwachen“

Und was war den nun das Problem des „Schwachen“?

(2) Einer glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der isst Gemüse.

„Einer glaubt alles essen zu dürfen“

Das ist die Beschreibung von denen, die Paulus später „den Starken“ nennt. Dieser hat die Freiheit einfach alles zu essen. Aber was ist unter „alles“ gemeint?

Wenn es um den Konflikt zwischen jüdischen Christen und heidnischen Christen geht, dann fällt eigentlich alles Fleisch darunter.

  • Also Fleisch von unreinen Tieren wie Schweine oder ähnliche.
  • Aber auch Fleisch von reinen Tieren, das aber vorher den Götzen geweiht wurde und daher auch unrein ist.
  • Oder Fleisch, das nicht richtig geschlachtet wurde.

Das wäre die umfassendste Betrachtung. Und diese drei Fälle haben für den Starken keine Probleme bereitet. Vor allem wenn er ein christlicher Heide war.

Für den heidnischen Christen gab es diese Vorschriften der „reinen“ Tiere nicht. Das war keine Lehre des Evangeliums. Das hat weder Paulus noch ein anderer Lehrer in das Evangelium mit reingebracht. Es war eine Kulturelle Eigenart der Juden würden die Heiden sagen. Die Juden sind damit groß geworden und haben darauf penibel achten müssen. Aber der Heide sah in dem Schwein nicht etwas Unreines so wie der Jude. Woran der christliche Heide sich stoßen konnte, war, dass das Fleisch vorher einem Götzen geweiht wurde und dann zum Verkauf angeboten wurde. Dieses Thema wird in 1.Korinther 8 von Paulus betrachtet.

Aber was für eine Problem hatte der Jude mit dem „unreinen“ Fleisch? War es so schlimm?
Er hätte doch in den sauren Apfel beißen und seine Bedenken runterschlucken können. Warum macht er so viel Aufheben mit diesem Thema?

Sehen wir es heute dieses Problem als trivial und nur ein oberflächlichen Konflikt von Vorlieben von Fleisch an, so tun wir der damaliger Situation extrem Unrecht. Der Kommentator Schreiner schreibt in seinem Kommentar zum Römerbrief (von mir kursiv und Fett formatiert):

Eating swine meat was especially popular and considered a delicacy in the Greco-Roman world, but this would be particularly offensive to Jews (so C. Heil 1994: 258). Surprisingly, Fitzmyer (1993c: 687) says that the problem of table fellowship was insignificant. This is a clear example of imposing our values on a historical situation. The Pauline discussion reveals that the controversy was of tremendous importance to him, since the unity of the church depended on its resolution. We must beware of concluding that if the conflict seems of little consequence to us, then the dispute is over a minor matter (see esp. Dunn 1988b: 801; Stuhlmacher 1994: 219). By making such a judgment, we impose our own cultural values and biases onto the text. C. Heil’s (1994: 23–99) survey of the Jewish literature on food laws reveals that the issue was at the forefront of Jewish thinking, and since the Maccabean period the issue of boundary markers (circumcision, food laws, and the observance of days) was even more controversial.

Der Verzehr von Schweinefleisch war in der griechisch-römischen Welt besonders beliebt und galt als Delikatesse, doch wäre dies für Juden besonders anstößig (so C. Heil 1994: 258).Überraschenderweise sagt Fitzmyer (1993c: 687), dass das Problem der Tischgemeinschaft unbedeutend war. Dies ist ein klares Beispiel dafür, dass wir unsere Werte einer historischen Situation aufzwingen. Die paulinische Diskussion zeigt, dass die Kontroverse für ihn von enormer Bedeutung war, da die Einheit der Kirche von ihrer Lösung abhing. Wir müssen uns davor hüten, daraus zu schließen, dass es sich bei dem Streit um eine unbedeutende Angelegenheit handelt, wenn der Konflikt für uns von geringer Bedeutung zu sein scheint (siehe vor allem Dunn 1988b: 801; Stuhlmacher 1994: 219). Wenn wir ein solches Urteil fällen, legen wir dem Text unsere eigenen kulturellen Werte und Vorurteile auf. C. Heils (1994: 23-99) Überblick über die jüdische Literatur zu den Speisegesetzen zeigt, dass dieses Thema im Vordergrund des jüdischen Denkens stand, und seit der Makkabäerzeit war die Frage der Grenzmarkierungen (Beschneidung, Speisegesetze und Einhaltung der Tage) sogar noch umstrittener.

(Schreiner et al., 2018, 687)

Man sieht das wir unsere heutige Meinung zu schnell auf frühere Zeiten und deren Themen überstülpen, wenn wir die Brisanz dieser Frage nicht beachten. Schreiner redet sogar von einer so hohen Brisanz, dass die Einheit der Kirche davon abhing. Und ich behaupte, dass es heute genauso ist. Wenn eine Gemeinde vernachlässigt, diesen Text ordnungsgemäß auf ihre aktuellen „Streitfragen“ anzuwenden, die Gemeinde in Gefahr steht, ihre Einheit zu verlieren oder sich Spalten kann.

Es passiert doch täglich um uns und sollte nicht kleingeredet werden. Warum nehmen wir nicht hier die Anleitung aus der Schrift, wie man mit solchen Themen umgeht? Lieber werden Vorschriften und Leitlinien erschaffen oder erhalten, die die Einheit der Gemeinde noch mehr schwächen. Was als Versuch gilt, die Einheit zu erhalten, wird zum Trennungsgrund – einfach deswegen, weil man es nicht biblisch angehen möchte, sondern auf eigene menschliche Weise und Weisheit. Und das führt zum Scheitern der Einheit, früher oder später. Ich habe nicht mal 30 Jahre bewusste Lebenserfahrung, aber die letzten Jahre haben mir das immer wieder bestätigt, das wenn menschliche Weisheit über Gottes Weisheit gesetzt wird, es niemals aufgeht. Und daher werden Menschliche Vorschrift, die Einheit bewahren sollen, niemals die Einheit erwirken, da Gott anhand von Römer 14 die beste Anleitung gegeben hat.

Jede Zeit hat ihre Fragen und die können ziemlich unterschiedlich sein. Hier war es in der Gemeinde das Aufeinanderprallen von zwei entgegengesetzten Kulturen. Heute sind es auch wieder mindestens zwei Kulturen. Und oft wird eine Seite als weltlich, die andere als gesetzlich beschrieben, beides mit einer (wenn auch nicht gezeigten) Abwertung.

Heute kennen wir das auch bei den Gemeinden die aus Menschen besteht, die aus der deutschen und russlanddeutschen Kultur kommen. Jede von ihnen hat eine kulturelle Prägung. Man kann versuchen die Tatsache zu leugnen oder zu relativieren oder gutzureden, oder seine Traditionen und Gewohnheiten als Biblisch zu bezeichnen, jedenfalls ist es eine Prägung, die man aus seiner Vergangenheit, den Eltern und dem Umfeld in dem man aufgewachsen ist, mitgenommen hat. Wer das Verleugnet ist tatsächlich ignorant und ich denke da ist ein Gespräch unnötig. Aber ich wünsche sehr, das jeder Christ eingesteht, das er nicht allein durch die Bibel geprägt wurde….

Und diese Differenz der Prägung führt zu Problemen. Nur wie löst man sie?

Paulus erklärt es hier und in den folgenden Versen wie eine Art Anleitung.

Und er geht zuerst auf den starken Christen ein, der einige Dinge in gewisser Weise „offener“ sieht und nicht so viele Bedenken hat.

Dieser „Starke“ hat eine größere Pflicht da er sich als „starken“ Christen sieht. Das stellt sich in den Versen später ganz deutlich heraus.

Aber was ist mit dem Schwachen?

„Wer aber schwach ist“

Der Schwache Christ ist wie schon vorher erwähnt in manchen Bereichen nicht so weit und macht sich ein Gewissen daraus.

Er ist so vorsichtig mit dem Fleisch, dass er sich da lieber radikal entscheidet:

„Der isst Gemüse“

Als ehemaliger Jugendleiter hatte ich (viel trainierende) Jungs, die gerne den Vers als Bestätigung für ihren hohen Fleischkonsum genommen haben. Das war von Paulus ganz sicher  nicht so gemeint, machte aber Eindruck, wenn man seine Appetit biblisch belegen kann. 😊

Ja und dieser „Schwache“, er ist nur noch Gemüse.

Seine Devise ist: „Solange ich nicht weiß ob es richtig ist, dieses Fleisch zu essen, esse ich nur Gemüse.“

Es war auch nicht nur so, dass er das Gemüse nur vorsichtshalber isst, sondern er tut es aus der Überzeugung, dass es eine Sünde wäre, dieses Fleisch zu essen. Und er versteht auch nicht, warum die anderen das Fleisch essen. Für ihn scheint es so, als ob der andere mutwillig sündigt. Und er möchte ihn davon abhalten oder ermahnen.

Denn als Jude (ich geh wieder auf den historischen Kontext zurück), war seine ganze Vergangenheit davon geprägt, diese Vorschriften zu beachten. Und es ging ihm ins Blut über. Er musste vor allem in der hellenisierten Umgebung darauf penibel achten, dass er sich nicht verunreinigt.
Und vor allem die jüdische Vergangenheit, in der die Juden anhand von Schweinefleischgenuss dazu gebracht wurden, ihren Glauben zu verleugnen (siehe die Makkabäer) war noch ein weiterer wunder Punkt für sie. Ihre jüdischen Brüder haben ihr Leben dafür gegeben um rein zu bleiben und um sich nicht mit dem heidnischen Fleisch zu verunreinigen und jetzt soll das alles umsonst sein? Ihre komplette Vergangenheit und die Märtyrer zählen nichts mehr? Haben sie das denn umsonst für Gott eingehalten?

Meinst du das ich hier zu weit greife? Um es zu belegen, möchte ich dir die Geschichte der Makkabäer erzählen. (Wenn du eine Leseratte warst, im Gottesdienst bei einer langweiligen Predigt saßt und glücklicherweise eine Bibel mit Apokryphen in der Nähe hattest, dann weißt du, wer die Makkabäer sind 😂. Falls du aber nur die Schlachter 2000 kennst, dann will ich dir das kurz erklären)

Die ersten Christen und der Schweinefleischkonflikt

Die Verfolgung der Juden durch Antiochus IV. Epiphanes begann, als er versuchte, das Seleukidenreich zu hellenisieren und die jüdische Religion zu unterdrücken. Im Jahr 167 v. Chr. (also ca. 220 Jahre vor der Verfassung des Römerbriefes) erließ er Dekrete, die jüdische religiöse Praktiken wie den Sabbat, die Beschneidung und das Halten koscherer Speisegesetze verboten. Er befahl, dass Schweinefleisch geopfert und gegessen werden sollte, was gegen das jüdische Gesetz verstieß. Diese Maßnahmen führten zu schweren Konflikten und zur Revolte der Makkabäer, die sich gegen die religiöse Unterdrückung auflehnten. Diese Erzählungen finden sich in den beiden Makkabäerbücher, die nicht zum evangelischem Kanon der Bibel gehören. Die Katholische Kirche hat sie kanonisiert als Luther mit dem Sola scriptura kam. Jedoch wurden sie in den ersten Jahrhunderten nicht als inspirierte Schriften angesehen, sondern nur als Texte, die Weisheit und historische Tatsachen enthalten. Und so möchte ich es auch hier erwähnen, als historischen Bericht, der nicht inspiriert ist.

In der oben genannten Zeit lebte der Schriftgelehrte Eleasar in Jerusalem. Und über ihn schreibt das 2. Makkabäer Buch in Kapitel 6 während der Verfolgung:

18 Eleasar war einer der angesehensten Schriftgelehrten, ein schon betagter und sehr schöner Mann; dem sperrte man mit Gewalt den Mund auf, weil er Schweinefleisch essen sollte. 19 Aber er wollte lieber in Ehren sterben als in Schande leben und ließ sich freiwillig martern 20 und spie es aus, wie es sich ziemt für die, die sich standhaft weigern, aus Liebe zum Leben Verbotenes zu essen. 

[21-22: Eleasar sollte erlaubtes Fleisch besorgen und so tun, als wäre es unreines Opferfleisch, um dem Tod zu entgehen und die Freundlichkeit der Aufseher zu erfahren.]

23 Aber er dachte so edel, wie es seinen hohen Jahren, dem Ansehen seines Greisenalters und seinem in Ehren ergrauten Haupt wohl anstand, auch seinem untadeligen Wandel von Jugend auf; und mehr noch: Er folgte der heiligen Gesetzgebung Gottes und sagte sogleich geradeheraus: Schickt mich nur in das Totenreich! 24 Denn es will meinem Alter übel anstehen, dass ich heuchle, sodass viele von den Jungen denken müssen, Eleasar, der nun neunzig Jahre alt ist, sei auch zum Heiden geworden, 25 und sie durch mich verführt werden, weil ich vor den Leuten heuchle und so mein Leben noch eine kleine Zeit friste. Das wäre für mein Alter Schimpf und Schande. 

26 Wenn ich auch jetzt der Strafe der Menschen entgehen würde, so kann ich doch den Händen des Allmächtigen nicht entfliehen, weder lebendig noch tot. 27 Darum will ich jetzt tapfer sterben, wie es mir altem Mann wohl ansteht, 28 und den Jungen ein gutes Beispiel hinterlassen, damit auch sie freudig und tapfer um der erhabenen, heiligen Gesetze willen einen guten Tod sterben. Als er diese Worte gesagt hatte, ging er sogleich zum Richtplatz. 

[29-30: Die Aufseher wurden feindselig und schlugen Eleasar beinahe zu Tode, woraufhin er erklärte, dass er die Schmerzen aus Gottesfurcht ertrage, obwohl er sie hätte vermeiden können.]

31 Und so ist er verschieden und hat mit seinem Tod nicht allein der Jugend, sondern für sein ganzes Volk ein Beispiel edler Gesinnung und ein Denkmal der Tapferkeit hinterlassen. 

Also zusammengefasst:

  • Eleasar wollte kein Schweinefleisch essen, sondern lieber in Ehre sterben
  • Er tat es nicht, weil er den Gesetzen Gottes folgen wollte
  • Er wollte nicht zum Heide dadurch werden oder heucheln
  • Er wollte den Jungen ein Beispiel in Treue und edler Gesinnung sein.
  • Er wollte um der heiligen Gesetzte den guten Tod sterben (Also nichts gegen die Gebote in den Mose Büchern verstoßen)

Und das war eine Furchtbare Zeit. Ich kann auch verstehen, dass es für einen Juden nicht möglich wäre, so ein Gesetz ohne Gewissensbisse zu brechen. Vielleicht scheint der Tod zu radikal zu sein, aber ich möchte damit sagen, dass die Juden bereit waren, Gottes Gebote eisern zu halten. Es war für sie nicht ein „nice to have“, sondern wie Eleasar sagte, ein „heiliges Gesetz“ für ihn.

Und im nächsten Kapitel lesen wir sogar von jugendlichen Männern, die bereit waren lieber zu sterben, als Schweinefleisch zu essen: 2 Makkabäer 7:1-2:

„1 Es wurden auch sieben Brüder samt ihrer Mutter gefangen und vom König bedrängt, sie sollten Schweinefleisch essen, das ihnen im Gesetz verboten war, darum wurden sie mit Geißeln und Riemen geschlagen. 2 Da sagte einer von ihnen, der Wortführer: Was willst du viel fragen und von uns wissen? Wir wollen eher sterben, als die väterlichen Gesetze zu übertreten.“

Es war für sie auch besser zu sterben, als dieses Gesetz zu übertreten.

Und diese Gesinnung lebte in den Juden weiter. Das jüdische Volk ist kein vergessliches Volk, oder eines, das alles relativiert. Deswegen finden wir auch im NT so viel Verachtung den Heiden und dem Unreinen gegenüber. Begebt euch mal auf die Suche wo das Thema Heiden und Juden in den Evangelien und der Apostelgeschichte auftritt. Juden durften sogar nicht ins Haus von den Heiden gehen (Apg 10,28a):

Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Angehörigen eines anderen Volkes zu verkehren oder sich ihm zu nahen;

Deswegen ist diese Problematik des „unreinen Fleisches“ nicht ein Randthema, sondern in dem Moment extrem wichtig, sozusagen ein „Supergau“.
Vielleicht vergleichbar, wie wenn in einer Gemeinde Geschwister aus sehr konservativen Gemeinden und aus einheimischen konservativen Gemeinden zusammenkommen würden und da das Thema „Hosen bei Frauen“, „Kopftuch bei der verheirateten Frau“ oder ein ähnlich brisantes Thema angesprochen werden würde. Es würden sich sofort Lager bilden, wo sich die Seiten gegenseitig verachten oder verurteilen könnten (vielleicht meint ihr darüber zu stehen, aber ich rede von deiner inneren Haltung dazu. Auch wenn du äußerlich nicht deine Verachtung zeigst, so denkst du tief innen meistens verachtend oder verurteilend). Und da würden solche Sätze von beiden Seiten fallen oder im Kopf herumgeistern:

VerurteilungVerachtung
Du bist so weltlich!
Du passt dich der Welt an.
Du lässt das Zeichen der Heiliggeit einfach weg, nun bist du auch nicht von den anderen zu unterscheiden.
Warum bist du den dem Bibeltext ungehorsam?
Du bist sowas von altmodisch.
Du bist so gesetzlich.
Du bist überhaupt nicht darauf aus, Menschen zu erreichen.
Wie kann man den so aussehen?
Hast du den Bibeltext nicht richtig ausgelegt?

Solche Vorwürfe kommen sofort auf. Wenn nicht lauf, so doch innerlich und in den Blicken oder zwischen den gesprochenen Worten. Oder indem man den anderen einfach meidet (und ist „meiden“ nicht auch verachten oder verurteilen?). Zusammenfassen lässt sich so ein Verhalten wirklich in den zwei Wörter: Verachten oder Verurteilen.

Und was ist nun die Antwort von Paulus in der Gemeinde in Rom in einem ähnlichen Spannungsfeld?

Stellen wir und folgende Szenarien vor, je nachdem, was Paulus befehlen würde:

Alle sollen Schweinefleisch essen!Die heidnischen Christen sind zufrieden und können weiterhin ihr Fleisch essen.
Die jüdischen Christen würden die Gemeinde verlassen, weil sie es mit dem Gewissen nicht vereinbaren können.
Es wird ein ähnliches „Dejavue“ geben wie bei der Verfolgung bei den Makkabäern: Nur die, die Schweinefleisch essen, dürfen Teil der Gemeinde sein.
Es wird eine Absplitterung „jüdischer Christen“ geben.
Das Wort aus Epheser, das Gott Juden und Heiden zusammengeführt hat, ist nicht in Erfüllung getreten.
Keiner darf Schweinefleisch essen!Die Juden sind zufrieden und können ihr Gewissen ausleben.
Die Juden fühlen sich im Recht und werden sehr wahrscheinlich weitere Gebote hinzufügen, die verpflichtend sind.
Die Heiden werden sich eventuell anpassen, oder heuchlerisch zuhause Fleisch essen (und ein schlechtes Gewissen haben).
Oder die heidnischen Christen werden die Gemeinde verlassen und eine Gemeinde gründen, wo eher keine Juden dabei sein sollten, um solche Konflikte zu vermeiden.
Das „nicht Fleisch essen“ wird als einer der essenziellen Dingen im Christentum der Gemeinde werden. Einer der Wahrzeichen anderer Gemeinden gegenüber. Gewollt oder ungewollt.
Auch hier wird Gottes Plan, eine Vereinbarung von Heiden und Juden in der Gemeinde zu vereinen scheitern.
Jeder kann tun, was er willDie Reibereien werden nicht aufhören.
Beide Seiten werden immer im Konflikt sein.
Je nachdem welche Gruppe in der Mehrzahl ist, oder wer in der Leitung ist, wird die Gemeinde eine Dominanz erfahren.
Diese Themen werden immer wieder zum Konflikt kommen, auch wenn man versucht sie zu ignorieren oder zu verharmlosen.
Streitende oder zerfallende Gemeinden sind die Folge.
Beide Seiten sollen sich im annehmen, akzeptieren und in Liebe handelnDas ist tatsächlich die Einzige Möglichkeit für beide Seiten.
Wer Schwach ist, soll vom Starken berücksichtigt werden.
Der Schwache, darf seine schwäche aber nicht ausnutzen sondern muss auch die Meinung des Starken tolerieren.
Es darf keine offensichtlichen Anstöße geben.
Aber das Privatleben (das Schweinefleisch zuhause gegessen werden darf) ist nicht verboten, da es nicht in Gegenwart des Schwachen geschieht.
Und der Schwache darf nicht gezwungen werden, Schweinefleisch zu essen.
Und dem Starken kann nicht verboten werden, in Abwesenheit des Schwachen Schweinefleisch zu essen.

Ich finde diese Art wie Paulus den Konflikt zu lösen versucht, einfach genial und absolut gut.


Vielleicht mag einer einwenden, dass es ja in den aktuellen Gemeinden, wo ähnliche Konflikte herrschen, nicht möglich ist das durchzuführen. Ich behaupte, dass es sogar sehr gut geht und durchgeführt werden muss. Denn es ist Gottes Wort. Und Gottes Wort hat die Kraft.
Wenn ein Gemeindemitglied sich verpflichtet hat, Gottes Wort gegenüber gehorsam zu sein und hier nun die Aufforderung vorhanden ist, den anderen anzunehmen, dann ist seine Rebellion nicht mehr Rebellion gegenüber einer Menschlichen Regel oder Tradition, sondern gegenüber Gottes Wort. Und das wird Konsequenzen haben.

Und da hat der Älteste in der Gemeinde tatsächlich die Autorität durch Gottes Wort, der Gemeinde zu befehlen schriftgemäß zu handeln. Hier ist es dann nicht mehr seine eigene Meinung oder Vorliebe (wie: „ich finde Schweinefleisch und Christentum gehört nicht zusammen“) sondern er kann aufgrund der Imperative und Befehle in dem Text, genauso befehlen und fordern. Er tut es nun nicht aufgrund seiner Autorität, sondern aufgrund der biblischen Autorität. Hierzu schau mal den Beitrag an: (#10.2 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Gehorcht euren Leitern).

Zurück zum Römerbrief.

Also die Makkabäer waren bereit ihr Leben zu lassen, als sich verunreinigen zu lassen. Gibt es eine ähnliche tiefe Abneigung einer Gewissensache, für die heute jemand bereit wäre, lieber zu sterben, als es zu tun? Manche Frauen haben auf ihren Job verzichtet, weil sie keine Hosen tragen wollten. Aber ich glaube selbst hier ist jede Frau so weise gewesen, dass sie Sporthosen oder dünne Hosen (Leggins) unter dem Kleid in kalten Tagen akzeptierte. Hier überwiegt der praktische Nutzen. Aber bei den Juden war die Verunreinigung mit unreinem Fleisch eine tief liegende Furcht und Abneigung.

Und nun fordert Paulus auf, dieses Problem „einfach so“ zu lösen. Kann er sich nicht in das Problem der Juden reinversetzen und deren Argument berücksichtigen? Ist Paulus nicht etwas zu lieblos zu den Gewissen der jüdischen Christen?

Denn die Argumente, die aufkommen können folgende sein:

  • Wir haben es in der Verfolgung so getan und daher war und ist es richtig
  • Es war eine große Sünde, unreines Fleisch zu essen, daher können wir es jetzt nicht tun
  • Wie würden wir unsere Werte verleugnen, die wir hatten?
  • Wir haben eine Kultur und die gilt es zu bewahren. Ist es so verkehrt das zu weiter zu praktizieren?
  • Unsere Kultur bezieht sich auf die Bibel und ist heilig, warum sollten wir uns vermischen?
  • Fällt es dir den so schwer kein Götzenopferfleisch zu essen?
  • Glaubst du wir würden im Himmelreich auch Schweinfleisch essen? Wie kannst du dir denn daher vorstellen in der Gemeinde Gottes das zu tun?
  • Dir geht es nur ums Fleisch essen. Das ist das Wichtigste bei dir!
  • Wir würden uns dadurch den Heiden, ja der Welt anpassen, indem wir das tun, was die Heiden immer getan haben! Wir sind aber ein abgesondertes und heiliges Volk!
  • Wir fangen mit dem Essen von unreinen Fleisch an, und enden bei der Prostitution und dem Götzendienst! So fängt der erste Schritt des Abfalls an!
  • Unsere Vorfahren die vom Glauben abfielen, begannen auch damit, dass sie das Schweinefleisch aßen. Es ist eine tiefe symbolische Bedeutung, wenn wir als Juden Schweinefleisch essen würden. Das wäre der Niedergang unserer Volkes und unserer Geschichte.

Das sind Argumente, bei denen das Wort „unreines Fleisch“ rausgenommen werden kann und mit aktuellen Themen ersetzt werden kann, die Gewissenssachen sind (Shorts, Frauenhose, Ablegen des Kopftuches, Schmuck…). Von der Argumenten und Überlegungen her hört es sich sehr schlüssig und wichtig an was erwidert wird. Was ist aber das Problem?

Das Problem, das folgt ist nämlich größer als das Streitthema:

Sobald das Thema „Fleisch“ als so wichtig angesehen wird, wird es zum Evangeliums Problem. Denn die Frage stellt sich sofort: „Warum habe ich mich enthalten/ auf das verzichtet“?.

Es wurde verzichtet, um Gott zu gefallen. Aber es waren tatsächlich „Werke“ um Gott zu gefallen. Das würde man dadurch merken, dass man sich sofort verteidigen will, wenn es darum geht, dass diese Dinge nun nichts mehr gelten. Den man hat sich dadurch abgehoben und als etwas Besseres gesehen.

  • Ich esse kein unreines Fleisch.
  • Ich trage keine Shorts.
  • Ich trage keinen Pferdeschwanz…

Es geht darum, dass man sich innerlich vergleicht und durch diese Tat etwas heiliger als der andere fühlte. Wenn nun das alles nicht mehr zählt, dann kommt innerlich sofort der Gedanke:
„Habe ich es denn umsonst gemacht?
Also habe ich keinen Verdienst dadurch?
Werde ich denn nicht belohnt das ich das die Jahre über gemacht habe?
Ich möchte lieber die Bestätigung haben, dass es richtig war und dass es mir einen „Verdienst“ eingebracht hat, anstatt das ich es aufgebe und erkenne, dass es früher umsonst war.“

Denn wenn man es früher wirklich für den Herrn gemacht hat, jetzt aber die Erkenntnis erhält, dass es nicht von Gott gefordert war und daher kein Vergehen wäre, es nicht getan zu haben, so kann man sich doch freuen, dass man es nicht mehr für den Herrn machen muss. Und man kann sich darüber freuen, dass es vor Gott auch gezählt hat, als man es von Herzen für ihn getan hat. Denn Gott hat das Herz angesehen und wird es belohnen.
Wenn ich aber mich, als etwas „besonderes“ dadurch gesehen habe, so war es nicht für den Herrn, sondern für mich. Wenn ICH mich dadurch definiert habe, wie ich mich von den anderen abhebe, dann ist das nicht zur Ehre Gottes.

Ich habe mich dadurch abgehoben. Und nicht Gottes Ehre war der Fokus, sondern meine eigene Ehre.
Ist es nicht so?

Warum kann ich es so mit Überzeugung sagen. Weil ich es selbst so erlebt habe, teilweise noch immer durchmache und viele Christen das auch durchmachen und so schildern.

Ich habe keine Shorts getragen! Ich war stolz darauf. Denn ich konnte auch im Sommer mit einer Langen Hose herumlaufen. Aber ich tat es nicht in erster Linie für Gott. Und ich sah sogar auf die anderen herunter. Konnte ich mich an dem Gedanken erfreuen, dass ein Bruder mit Shorts heiliger war als ich? Das fiel mir schwer.
Wenn er mich auch in einigen Dingen überragte, so trug er in der Öffentlichkeit Shorts und da war ich ihm voraus, also heiliger. So dachte ich. Und innerlich habe ich ihn dann nicht so richtig geachtet, jedenfalls hatte er dadurch seine „Macken“…. Er war schon ganz ok und ein guter Christ, aber ich war da Gott gehorsamer („Danke Gott das ich nicht so bin wie dieser andere Christ sondern lange Hosen trage…“)

Und das ist das Problem. Vor allem bei Personen, die auch mit ihrer Meinung sofort rauskommen können und überzeugend reden. Dann ist Unruhe vorprogrammiert. Einige Verurteilen im Stillen, andere laut. Einige Verachten im Stillen, andere laut. Alle Fälle sind falsch und schädlich.
Und das wollte Paulus verhindern. Deswegen diese Abhandlung von der Frage des Essens, Trinkens und der Feiertage.

Ich hoffe du bist bis hierher gekommen und hast freue am Lesen gehabt und konntest sich selber in den Bibelworten finden. Den mein Ziel ist es nicht als etwas besseres dazustehen, sondern ich versuche so offen wie möglich über das alles zu schreiben. Damit du dich verstanden fühlst und damit solche Themen offen und ehrlich und ohne Angst angesprochen werden können.

Im nächsten Beitrag geht es um den Vers 3 und 4: #9.3 Römer 14 und die Gewissensfrage – Verse 3 & 4: Verachten und Richten

Bis dahin, alles Gute und Gottes Segen
Simon

Quellenangaben:

Schreiner et al. (2018) Romans (Baker Exegetical Commentary on the New Testament). 2nd edn. Baker Academic. Available at: https://www.perlego.com/book/2051130 (Accessed: 17 July 2024).

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