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#10.5 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Aber alle haben doch zugestimmt!

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Ich freue mich, dass du hier gelandet bist. Wir befinden uns im fünften Beitrag zu den Gemeinderegeln. Falls du die vorherigen Beiträge nachlesen möchtest, sind sie hier aufgelistet:

Dieser Beitrag baut auf den vorherigen auf. Daher werden in diesem Beitrag viele Dinge nicht noch einmal erklärt oder definiert. Im letzten zwei Beiträgen habe ich Römer 14 und die Gewissensfrage behandelt. Eine genauere Auslegung des Kapitel 14 ist noch geplant und wird später veröffentlicht.
Aber hier möchte ich auf die eine Frage kommen, die am Ende aufgekommen ist:

Der Fall: Alle haben doch den Regeln zugestimmt!

Aber was ist, wenn man beim Eintritt in die Gemeinde den Regeln zugestimmt hat, aber dann diese Regeln nicht einhalten kann, nachdem man erkennt, dass es nicht biblisch belegbar ist?

Es ist tatsächlich ein guter Einwand. Denn wenn sich alle in der Gemeinde entschließen, diese Regeln halten zu wollen, dann ist es für jeden Einzelnen ja erlaubt, so zu leben.
Ist aber nun einer unter ihnen, der es nach einiger Zeit nicht mehr so sieht wie zu Beginn – was dann?
Wenn er nun von den anderen die Aufforderung erhält, die Regeln zu beachten, so kommen wir wieder unter das gleiche Problem, wie oben genannt: Gesetzlichkeit.
Denn hier wird eingefordert, diese Vorschriften zu halten. Natürlich gibt es schwerwiegendere oder leichtere Regeln, bei denen die Handhabung anders ausfällt. Das plötzliche Tragen eines Pferdeschwanzes würde nicht die gleiche Konsequenz mit sich bringen, wie das Tragen einer Hose bei einer Frau.
Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, warum diese Regeln erstellt wurden (zum Beispiel ein Alkoholverbot aufgrund von Trunksucht), und daher möchte ich das nicht von vornherein verurteilen. Und trotzdem gilt nach wie vor Römer 14 und die Aufforderung, sich gegenseitig in Liebe anzunehmen und nicht zu verachten oder zu verurteilen.

Ich möchte es am Alkohol verdeutlichen:
Wenn zum Beispiel die Frage des Alkohols für viele Gemeindeglieder in der Vergangenheit ein Problem und eine Sucht war, ist es verständlich, dass die Gemeinde beschloss, auf Alkohol zu verzichten und ihn aus Selbstschutz komplett zu meiden, sowohl im Gemeindehaus als auch zuhause, um Rückfälle zu vermeiden. Nun kommen neue Gemeindemitglieder oder Menschen ohne diese Hintergrundgeschichte in die Gemeinde.
Wenn nun von ihnen gefordert wird, generell auf Alkohol zu verzichten, auch wenn die Geschwister, die früher Probleme damit hatten, nicht anwesend sind, so wird dieser Umgang in die Kategorie Gesetzlichkeit fallen. Denn ein zeitlich begrenztes und situationsbedingtes Gebot wird nun zu einem ethischen und moralischen Maßstab für einen Christen erhoben.
Natürlich sagt Römer 14 ausdrücklich, dass der Bruder, der kein Problem mit Alkohol hat, seine Freiheit nicht zum Anstoß machen darf. Er soll in Liebe handeln und den Schwachen annehmen. Aber diese Aufforderung ist keine Aufforderung zum generellen Alkoholverzicht.
Natürlich wird sehr viel Sünde mit Alkohol betrieben, und es ist absolut traurig, wie er bindet und knechtet. Aber das Gleiche gilt für die Sexualisierung in der Gesellschaft. Soll nun die Ehe verboten werden, weil alles so sexualisiert wird? Nein, unsere Aufforderung ist, weise damit umzugehen. Zurückhaltung und weiser Umgang sind das, was die Gesellschaft benötigt. Nicht Mönche, die sich zurückziehen und allem entsagen. Auch wenn es manchmal einfacher erscheint, allem zu entsagen. Aber Jesus bat in seinem hohepriesterlichen Gebet:

15 Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. 16 Sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch ich nicht von der Welt bin. 17 Heilige sie in deiner Wahrheit! Dein Wort ist Wahrheit.

Johannes 17,15-17 (SCH2000)

Wir werden in der Welt bewahrt und sollen dies durch Gottes Wort tun. In Bezug auf den Alkohol gibt es genügend Verse, die uns zur Mäßigung auffordern. Sie raten uns, nicht berauscht zu werden, sondern besonnen zu bleiben; ein generelles Verbot fehlt jedoch.

Und genau das wünsche ich mir – dass solche Fragen auch so nach Römer 14 bahndelt werden. Ist das möglich? Natürlich. Erstens fordert uns die Bibel dazu auf, dies zu tun. Zweitens erlebe ich es täglich in meiner Heimatgemeinde, dass solche Themen weise angegangen werden, zum Schutz und Segen beider Gruppen.

Deswegen möchte ich es so formulieren:
Traditionen oder erstellte Regeln haben keinen höheren Stellenwert als die Bibel.
Wenn die Bibel uns auffordert, uns gegenseitig aus freiem Willen in Liebe anzunehmen, wir aber unsere Regeln als wichtiger und bedeutender sehen, so handeln wir nicht schriftgemäß.
Weil dann fallen wir in die Kategorie der Pharisäer die von Jesus in Mk 7,9+13 getadelt wurden:

Und er sprach zu ihnen: Trefflich verwerft ihr das Gebot Gottes, um eure Überlieferung festzuhalten.
… und so hebt ihr mit eurer Überlieferung, die ihr weitergegeben habt, das Wort Gottes auf; und viele ähnliche Dinge tut ihr.

Markus 7,9 + 13

Hatten die Pharisäer Begründungen und Ursachen für ihre Überlieferungen? Ganz sicher. Aber Gottes Wort zählt mehr.
Was natürlich sehr schwer ist, ist das Abschaffen dieser Vorschriften und ein gesundes Gemeindeleben zu etablieren. Das wird nicht über Nacht funktionieren. Und damit werden auch nicht alle zufrieden sein. Aber es funktioniert. Ich erlebe es aktuell in meiner Heimatgemeinde mit. Und das ist sehr schön zu sehen, dass eine Gemeinde von „gesetzlich“ zu „biblisch“ übergeht. Es gibt viele Hürden, Seelsorgegespräche und Verletzungen. Aber das Ziel ist, eine gesunde Gemeinde zu etablieren. Und mit Gottes Hilfe und der Bibel funktioniert es. Aber das wird ein weiterer Beitrag…

Das waren meine Überlegungen zu diesem Thema. Im nächsten Beitrag werde ich einen weiteren Einwand aufzeigen und beantworten: #10.6 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Haben Timotheus und Titus auch Verordnungen aufgestellt?

Ich freue mich, dass du bis hierhergekommen bist, und würde mich sehr darüber freuen, wenn dir meine Überlegungen etwas geholfen haben. Wenn du Fragen oder Einwände hast, kannst du die Kommentarfunktion nutzen, mich über die E-Mail anschreiben oder mich besuchen kommen. Die Adresse findest du im Impressum. Einen Kaffee und etwas zum Knabbern wirst du sicher erhalten.

Liebe Grüße
Simon


Quellen:

Bruderschaft der EvangeliumsChristen-Baptisten >>Eben-Ezer<< (2022). Ihm in allem wohlgefällig: Biblische Grundsätze eines für Gott abgesonderten Lebens

Grudem, W. A. (2013b). Biblische Dogmatik: eine Einführung in die systematische Theologie. (1.Auflage, 3.Druck) arche-medien

Blue, Ken (2011). Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch. Brunnen Verlag

Peters, B. (2019). Der Brief an die Römer. (1.Auflage) CLV-Verlag

Carson, D., Longman, T. and Garland, D. (2017) Matthew. Zondervan Academic. Available at: https://www.perlego.com/book/560682 (Accessed: 13 June 2024).

Jung, F. & Derksen, H. (2020). Angekommen?!: fünfzig Jahre freikirchliche Russlanddeutsche in Deutschland (1.Auflage 2020). Lichtzeichenverlag GmbH.

Wilkins Bob. What Could Peter Bind or Loose (Matthew 16:19)?.https://faithalone.org/blog/what-could-peter-bind-or-loose-matthew-1619/

Calvin, J. (1997). Unterricht in der christlichen Religion – Institutio Christianae Religionis (6. Aufl.). Neukirchener Verlag. https://www.calvin-institutio.de/display_page.php?elementId=61

Schirrmacher, T. (2001). Der Römerbrief: für Selbststudium und Gruppengespräch Band 2 (2. Aufl.). Revormatorischer Verlag Beese.

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