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#10.8 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Darf die Gemeinde nun keine Verordnungen erstellen?

Ich freue mich, dass du hier gelandet bist. Wir befinden uns im achten Beitrag zu den Gemeinderegeln. Falls du die vorherigen Beiträge nachlesen möchtest, sind sie hier aufgelistet:

Dieser Beitrag baut auf den vorherigen auf. Daher werden in diesem Beitrag viele Dinge nicht noch einmal erklärt oder definiert.

In dem Letzten Beitrag bin ich zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Bibelstellen aus Matthäus 16 und 18 nur folgende Optionen lassen:

  1. Entweder diese Autorität ging in ihrer Vollmacht nur an die Apostel und endete mit ihrem Tod.
  2. Oder es handelt sich um Gemeindezucht; und diese Autorität ist auch der Gemeinde heute übertragen worden.

Eine dritte Option ist nicht möglich. Und ich sehe hier jedoch tatsächlich keine Möglichkeit für eine spezielle Autorität, die der Gemeinde die Erlaubnis gibt, in ähnlicher Weise Verordnungen aufzustellen.

Daher kam die Frage auf, ob eine Gemeinde nun überhaupt keine Regeln mehr erstellen darf? Ist es so? 

Darf eine Gemeinde nun keine Regeln erstellen?

Dürfen nun keine Regeln erstellt werden? Es kommt darauf an. Wenn beispielsweise festgelegt wird, dass Alkohol im Gemeindehaus nicht getrunken werden darf, also als Hausregel, ist das vollkommen legitim. Damit hätte auch niemand ein Problem. Das wäre auch ein berechtigter Grund.

Wenn eine Gemeinde aufgrund akuter Suchtgefahr bei bekehrten Mitgliedern beschließt, keinen Alkohol zu konsumieren, ist das ebenfalls in gewisser Weise legitim. Es wäre jedoch nicht durch die Schrift bestätigt, eine Regel aufzustellen, die besagt, dass kein Bier, Wein oder Radler getrunken werden darf, da ansonsten niemand in den Dienst aufgenommen wird.

In meiner Heimatgemeinde darf im Gemeindehaus kein Alkohol getrunken werden. Das hat historische und ganz praktische Gründe. Wenn Familienfeiern im Gemeindehaus stattfinden, wird auf das Hausrecht verwiesen, dass Alkohol nicht erlaubt ist. Dadurch erspart man sich Diskussionen im Vorfeld sowie das Putzen von Erbrochenem, das Reparieren von Zerbrochenem und das Entfernen von Betrunkenen.

Als ich einmal zu einer Besprechung einen Kasten des guten schwäbischen, alkoholfreien Radlers mitbringen wollte, fragte ich, ob es in Ordnung wäre, diesen im Jugendhaus zusammen zu trinken. Die Leitung entschloss sich, das lieber nicht zu tun, da diese Flaschen sehr nach Bierflaschen aussahen. Wir hätten jedem Gemeindeglied erklären müssen, dass es sich um alkoholfreies Getränk handelt. Ich fand die Begründung akzeptabel, da ich es ebenfalls unangenehm fand, jedem vorbeilaufenden Mitglied eine Erklärung abgeben zu müssen.

Wenn ich jedoch ein alkoholisches Radler oder sogar ein Bier oder Wein trinken würde, gäbe es keine disziplinarischen Maßnahmen. Sollte man jedoch bei mir eine Sucht oder eine zu große Neigung zu alkoholischen Getränken feststellen, würden die Ältesten mich ansprechen, was völlig biblisch wäre.
Diese Hausregel wird jedoch nicht als moralischer Richtwert für mein geistliches Leben angesehen.
Das gleiche gilt auch für andere Punkte wie Shorts, Bärte, die Kleidung der Frauen oder Schmuck.

Eine falsche Herangehensweise wäre die, die Viktor in seinem Blogbeitrag erwähnt:

Interessanterweise werden Verstöße bei den adiaphora in diesen Gemeinden häufig auch nicht mit Gemeindezucht geahndet, sondern indem der Zugang zu manchen Dienstbereichen verwehrt wird, z.B. dem Predigtdienst. Aber niemandem darf ein Amt verwehrt werden, der zwar gegen eine Gemeinderegel verstößt (z.B. bei der Familienplanung), nicht aber gegen das Gesetz Gottes. 
(christusallein.com)

Ein anderer Fall wäre das Tragen eines Pferdeschwanzes eine Schwester, die dann von dem Dienst mit Kindern ausgeschlossen wird. Aber diese „kein Pferdeschwanz“ Regel können wir weder offensichtlich, noch versteckt, noch krampfhaft suchend in der Bibel finden. Welche Autorität steht nun dahinter, dass sowas verboten wird? Eine machtmissbrauchende Autorität? Dann ist diese Autorität auch nicht weit entfernt von dem Machtmissbrauch der Pharisäer, die Regeln erstellt haben, um die biblischen Regeln zu umgehen. Vielleicht meint einer, dass ich es zu hart formuliere? Dann möchte ich hier den Beleg aufführen:

    • Es wird gesagt, die Gemeinde hat die Autorität Regeln zu erstellen
        • Nun besteht die (ungeschriebene) Regel, dass ein Dienst in der Kinderarbeit mit einem Pferdeschwanz nicht möglich ist (weltliche Tendenz)
        • In Römer 14 steht jedoch, dass wir uns annehmen sollen und ertragen sollen und nicht richten oder verachten dürfen.
        • Nun wird aber gesagt, dass Römer 14 nur bei Sachen gilt wie Speiseordnungen, also nichts Sündiges.
        • Und es wird gesagt, es geht in Römer 14 „nicht um Unterschiede, die durch das Ignorieren von Gemeindebeschlüssen entstehen“ (Eben-Ezer, 2022, S.163)
        • Also folglich darf die Schwester aufgrund der Gemeindebeschlüsse vom Dienst abgehalten werden, auch wenn kein biblisches Kriterium dagegen spricht, sondern eher sogar auffordert, hier Milde walten zu lassen!

Also hat man durch die „Gemeindebeschlüsse“ eine Möglichkeit erschaffen, den offensichtlichen Befehl des Paulus zu umgehen, indem man nicht akzeptiert, dass es Gewissensfragen gibt, sondern diese Gewissensfragen werden per Gemeindebeschluss (oder als ungeschrieben Verhaltensregel) als sündig / weltlich definiert, und daher können sie nicht unter Römer 14 fallen.

Bestimmt werden mir da nicht alle zustimmen, aber für mich sieht es sehr deutlich danach aus. 

Die römisch-katholische Kirche hat lange Zeit gebraucht, um diesen großen Apparat an Regeln und Geboten zu erstellen. Hier sieht man es aktuell in unserer Zeit geschehen. Auch wenn ich die Sorge und die Not verstehe, warum es entstanden ist. Aber eines ist sicher: Es ist nicht Gott wohlgefällig. Es verkündet nicht einen Gnädigen und heiligen Gott zugleich. Sondern einen zornigen und pedantischen Gott, der mit jeder Kleinigkeit unzufrieden ist. Der sich sogar um dein Haarspray sorgt und unzufrieden oder traurig ist, wenn du es benutzt.

Ist das der Gott der Gnade? Der Gott, der durch Jesus Christus die frohe Botschaft in die sündige, verlorene Welt gesandt hat?

Der Gott, der unsere alle Sünden vergibt in der Vergangenheit und der Zukunft und nicht mehr an sie gedenkt?

Der uns geliebt hat, als wir noch Sünder waren und keine Kraft hatten, zu ihm zu kommen?

Und nun ist er traurig und enttäuscht, nachdem er uns gerettet hat und so viel getan hat, dass wir einen Pferdeschwanz tragen und uns dadurch der Welt annähern? Wie absurd!

Das ist nicht die Heiligkeit Gottes, von der die Bibel spricht. Das ist ein gesetzliches Verhalten.

Gott ist heilig. Aber er ist kein pedantischer Gott. Aber genau das wird durch diese Regeln vermittelt. Und dadurch bekommen so viele Gotteskinder ein falsches Bild von Gott. Meine Frau hat damit noch immer zu kämpfen. Ich habe es immer noch in mir, dass Gott unzufrieden sein könnte mit mir aufgrund von den erlernten Verhaltensregeln. Auch wenn ich alles korrekt tue, gibt es immer noch etwas, was Gott nicht gefallen könnte.

Aber Gott sei Dank ist Gott als ein Heiliger und liebender Gott zu gleich zu finden. Deswegen möchte ich diesen (sehr langen) Beitrag mit einem Zitat aus Römer 5 abschließen:

8 Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.
10 Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, wie viel mehr werden wir als Versöhnte gerettet werden durch sein Leben!

Römer 5,8+10

Und wie kann man heilig leben, wenn man keine Verhaltensregeln hat? Das ist wieder ein anderer Beitrag. (Ließ mal 1. Johannes 3,1-3, da ist es super erklärt.)

In dem nächsten Beitrag möchte ich diese Reihe abschließen und eine Zusammenfassung erstellen: #10.9 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Eine Zusammenfassung

Ich freue mich, dass du bis hierhergekommen bist, und würde mich sehr darüber freuen, wenn dir meine Überlegungen etwas geholfen haben. Wenn du Fragen oder Einwände hast, kannst du die Kommentarfunktion nutzen, mich über die E-Mail anschreiben oder mich besuchen kommen. Die Adresse findest du im Impressum. Einen Kaffee und etwas zum Knabbern wirst du sicher erhalten.

Liebe Grüße
Simon


Quellen:

Bruderschaft der EvangeliumsChristen-Baptisten >>Eben-Ezer<< (2022). Ihm in allem wohlgefällig: Biblische Grundsätze eines für Gott abgesonderten Lebens

Grudem, W. A. (2013b). Biblische Dogmatik: eine Einführung in die systematische Theologie. (1.Auflage, 3.Druck) arche-medien

Blue, Ken (2011). Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch. Brunnen Verlag

Carson, D., Longman, T. and Garland, D. (2017) Matthew. Zondervan Academic. Available at: https://www.perlego.com/book/560682 (Accessed: 13 June 2024).

Wilkins Bob. What Could Peter Bind or Loose (Matthew 16:19)?.https://faithalone.org/blog/what-could-peter-bind-or-loose-matthew-1619/

Und dann noch der Link zum Blog „christusallein“:

Gemeinderegeln und die „Schlüssel des Himmelreichs“

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