„Eine Gemeinde hat so wie jede andere Organisation, Firma oder Verein das Recht, verbindliche Regeln aufzustellen!“
„Die Gemeinde hat das Recht von Gott erhalten, verbindliche Regeln für eine Gemeinde aufzustellen!“
So oder ähnlich klingen die Aussagen, die man immer wieder erhält, wenn man die Frage stellt, warum eine Gemeinde Regeln aufstellt.
Deswegen ist die erste Frage, die ich angehen möchte, die Frage, ob eine Gemeinde für die Gemeinde verpflichtende Regeln aufstellen darf oder nicht.
Dieser Beitrag ist der erste aus der Reihe der „Darf eine Gemeinde Regeln erstellen?“. Hier findet sich das Verzeichnis der veröffentlichten Beiträgen dazu:
- #10.1 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Definition der Begriffe
- #10.2 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Gehorcht euren Leitern
- #10.3 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Die Gewissensfragen aus Römer 14
- #10.4 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Martyn Lloyd Jones über verpflichtende Regeln in Kirchen
- #10.5 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Aber alle haben doch zugestimmt!
- #10.6 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Haben Timotheus und Titus auch Verordnungen aufgestellt?
- #10.7 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Gibt Jesus der Gemeinde diese Vollmacht, oder nur den Aposteln?
- #10.8 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? Darf die Gemeinde nun keine Verordnungen erstellen?
- #10.9 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Eine Zusammenfassung
Aber zuerst möchte ich den Begriff „Gemeinderegeln“ definieren, da er sonst missverstanden wird.
Ich meine unter „Gemeinderegeln“ nicht:
- Eine Hausordnung für das Gemeindehaus
- Einen Plan der Dienste oder Abläufe
- Eine Auflistung von den offensichtlichen Geboten/Verboten, die im NT zu finden sind und einfachhalber verschriftlicht wurden.
- Dass eine Gemeinde ein Glaubensbekenntnis als Grundlage für die Theologie der Gemeinde definiert
- Das Satzungen und Geschäftsordnungen für den „eingetragenen Verein“ nicht definiert werden dürfen
Sondern was ich unter Gemeinderegeln meine, entnehme ich aus dem Buch Angekommene – Fünfzig Jahre freikirchliche Russlanddeutsche in Deutschland von den Herausgebern Friedhelm Jung und Heinrich Derksen (von mir fett markiert):
Die sogenannte Gemeinderegel ist in vielen russlanddeutschen Gemeinden ein zusätzliches Dokument zum Glaubensbekenntnis, das gemeindeinterne Angelegenheiten festlegt. Exemplarisch dient „Die biblische Gemeinderegel“ der Vereinigung der Evangeliums-Christen-Baptistengemeinden in Deutschland. Es werden mit Bibelstellen die Bedingungen zur Aufnahme in die Gemeinde Christi, die Rechte und Pflichten der Gemeindemitglieder, Untugenden, die in der Gemeinde nicht geduldet werden, Eheschließung und Eheleben und Ausschluss aus der Gemeinde thematisiert.
[…] In der Gemeinderegel der erwähnten Vereinigung werden beispielsweise Theater, Kino, Badestrände, Fernsehen, Video, Computerspiele und private Internetanschlüsse als Untugenden festgehalten und sogar das Tragen eines Eheringes wird untersagt.
[…] Andere Gemeinden haben deshalb auf eine schriftlich formulierte Gemeinderegel verzichtet, aber de facto wird es mündlich gelehrt und kommuniziert und von den Mitgliedern wird ein verbindliches Verhalten erwartet. Die Gemeinderegel ist ein mit Bibelstellen unterlegtes Konglomerat von vereinsrechtlicher Satzung, Geschäftsordnung, Hausordnung, Bekenntnis und ethischer Anweisung.
(Jung & Derksen, 2020, Seite 94-95)
Also das heißt zuerst, dass die Gemeinderegeln:
- Gemeindeinterne Angelegenheiten festlegen.
- Die Bedigungen für die Aufnahme in die Gemeinde festlegen.
- Die Pflichten und Rechte der Gemeindeglieder regeln.
- Eine Auflistung von Untugenden enthält, die in der Gemeinde nicht geduldet werden.
- Manchmal auch nur mündlich kommuniziert und gelehrt werden.
- Verbindlich für die Mitglieder zu halten sind.
Und die eine Facette der Gemeinderegeln ist, dass sie häufig der Maßstab der Heiligung sind, wie es Jung&Derksen auf Seite 104 meinen:
Heiligung wird häufig an ethischen Normen und Werten im christlichen Lebenswandel festgemacht.[…]
Das nicht Einhalten der Gemeinderegel führt zu Gemeindeausschluss. […]
Es ist natürlich so, dass nicht alle Punkte in der Gemeinderegel ebenbürtig behandelt werden. Es gibt da gewisse Abstufungen. Gewisserweise ist es eine große Hilfe, zu wissen, wie die Gebote aus der Bibel in der heutigen Zeit angewandt werden können. Und ich will keinem der Brüder, die daran gearbeitet haben, das jemals anhängen, dass sie es aus schlechten Absichten gemacht haben.
Und diese Regleln werden aus diesen Fragestellungen erstellt:
– Welche Kleidung darf ein Christ tragen?
– Sind Hosen für Frauen erlaubt?
– Darf ein Mann eine Shorts tragen?
– Sind Bärte für Männer erlaubt, oder ist es weltlich/eitel?
– Darf eine Frau Schmuck tragen?
– Sind Eheringe weltlich, oder dürfen sie als Zeichen der Ehe getragen werden?
– Ist das Kopftuch für eine Frau verpflichtend? Wenn ja, wo überall?
– Was für Musik höre ich?
– Wie ist es mit Freundschaften vor einer Ehe?
– Was mache ich in meiner Freizeit und wohin gehe ich im Urlaub?
Es sind Fragen, die sich immer wieder Christen stellen und auf die sie eine Antwort geben müssen. Und je nach Kultur und Umfeld gab es unter den Christen unterschiedliche Antworten. Manche waren wirklich nachvollziehbar und tatsächlich notwendig, manche aber absurd und nicht biblisch (Also in der christenheit allgemein).
Viele der Regeln der russlanddeutschen Gemeinden wurde vor allem in Zeiten der Verfolgung erstellt, unter Gebet und Fasten. Deswegen will ich in keiner der Regeln eine böse Absicht sehen. Sondern ich sehe viele von ihnen tatsächlich als eine situationsbedingte Regel an.
Aber die Frage bleibt trotzdem vorhanden, auch wenn die Beweggründe edel waren und sind: Darf eine Gemeinde solche Regeln für die Gemeindeglieder aufstellen und verpflichtend verlangen, sie auszuleben?
Und diese oben genannte Definition von Gemeinderegeln will ich in diesem und den folgenden Beiträgen untersuchen und meine Gedanken dazu vorlegen.
Allgemein hat mich diese Frage schon mehr als 15 Jahre beschäftigt und bisher habe ich noch keine befriedigende Antwort gelesen oder gehört.
Die Bruderschaft der Evangeliums-Christen hat zu dieser Frage das erste Mal eine schriftliche Begründung geliefert. In der schriftlichen Ausführung findet man eine ausführliche Argumentation für die Erlaubnis der Gemeinderegeln, die sozusagen als Basis für alle Gemeinderegeln dient.
Obwohl ich zuerst ziemlich entmutigt wurde über die Veröffentlichung dieser Begründung und der Regeln; muss ich sagen, dass es eine sehr mutige und richtige Handlung war. Denn auch wenn ich dem Inhalt kritisch gegenüberstehe, so ist endlich eine Verschriftlichung der Forderungen und Überlegungen vorhanden, die bisher nur als ungeschriebene Regeln vorhanden waren.
Jede Gemeinde hatte ihre internen, ungeschriebenen Tabuthemen oder Vorschriften, die nur dem langjährigen Mitglied bekannt waren. Und das machte es unheimlich schwer, etwas anzusprechen, da es Nichts Festgelegtes gab.
Deswegen werde ich im Folgenden einige der Begründungen zitieren und anhand der Schrift und mithilfe von Kommentatoren die jeweiligen Stellen beantworten.
Bevor ich zu den Argumenten komme, möchte ich noch eine Sache erwähnen:
Die in dem Beitrag und allgemein in dem Blog aufgeführten Überlegungen mache ich vorwiegend aus dem Kontext von russlanddeutschen Gemeinden. Weil es meine Heimat ist. Und ich bin auch jetzt in einer Gemeinde, die ihre Wurzeln im russlanddeutschen Baptismus hat. Ich schäme mich dafür nicht. Und ich verachte diese Kultur nicht, denn sie hat viel Wertvolles, was ich noch in keiner anderen Kultur gesehen habe. Deswegen wird es auch in Zukunft einen Betrag zu den Vorteilen der russlanddeutschen Gemeinden geben.
Aber diese Tendenz der „Gemeinderegeln“ gibt es in vielen anderen Gemeinden. In den geschlossenen Brüdergemeinden, in amerikanischen „Holiness“ Gemeinden und noch in vielen anderen. Dieses Kind hat verschiedene Namen, aber es ist immer das gleiche Vorgehen.
Weil ich aber in der russlanddeutschen Kultur groß geworden bin, möchte ich es aus dieser Perspektive betrachten.
Argumente für die Erlaubnis „Gemeinderegeln zu erstellen“
In dem oben erwähnten Buch „Angekommen!?“ von Jung & Derksen, wird auf Seite 94 die Verschriftlichung der Gemeinderegeln der Vereinigung der Evangeliumschristen Baptisten erwähnt. Es wird einfach „Die biblische Gemeinderegel“ genannt. Dort finden sich die verschiedene Regeln und Verordnungen.
In der Bruderschaft, in der ich viele Jahre meines Lebens verbrachte, gab es nur ein dünnes Heft („Biblische Grundlage des Gemeindelebens“) mit einzelnen kurzen Sätzen zu bestimmten Verhaltensregeln. Da die meisten Gemeindeausschlüsse oder Gründe des Verlassens der Gemeinde aufgrund ethischer Fragen geschahen, entschloss sich die Bruderschaft der Evalgeliumschristen-Baptisten (auch „EBEN-EZER“ Bruderschaft genannt) ein Buch für die Gemeinden zu veröffentlichen, in dem all die Fragen biblisch begründet werden.
Dieses Buch gilt nicht als die Gemeinderegel, sollte aber ein Kommentar zu den Punkten in den Gemeinderegeln sein, die noch immer verpflichtend sind.
Ein Beispiel:
Wenn in dem kleinen Buch über eine ordentliche Frisur als Norm für einen Christen geschrieben wird, erklärt das veröffentlichte Buch, was unter „ordentlich“ gemeint ist und was vermieden werden sollte und was als „weltlich“ zu bezeichnen ist.
Ordentlich heißt zusammengesteckt, geflochten oder hochgesteckt.
Eine weltliche Frisur ist daher offenes Haar, oder aufwändig und extravagant frisiertes Haar.
Aber ein Pferdeschwanz ist so ein Mittelding, daher auch nicht erwünscht und gewissenserweise verpönt oder zeigt die Tendenz zur Verflachung und Verweltlichung an.
Die genaue Auslebung der Regeln ist je nach Gemeinde unterschiedlich, und daher beschreiben die Kommentare aus dem Buch auch nicht eine bestimmte Gemeinde.
Da dieses Buch aber von der Leitung der Bruderschaft genehmigt, von unterschiedlichen Brüdern geschrieben und dann in Mengen gedruckt und empfohlen wurde, repräsentiert das Buch für mich auch den Standpunkt der Bruderschaft zu diesen Themen.
Auch wenn in manchen Gemeinden das Buch nicht verteilt wurde und die Regeln nicht so detailliert eingefordert werden, kommt man schlussendlich zu dem Punkt der „mündlichen Gemeinderegel“ die noch weniger zu fassen ist, da sich die Forderungen je nach Ältesten und Gemeindemitglied unterscheiden können. Hier eine klare Meinung zu bekommen, was genau gefordert wird und was „richtig“ ist, ist unheimlich schwer.
Ist eine Rocklänge über dem Knöchel, eine Handbreite über dem Knöchel, eine Handbreite unter dem Knie, oder bis zum Knie, oder beim Sitzen über dem Knie in Ordnung? Eine genaue Antwort zu erhalten ist schwer, denn es gibt Röcke, die haben die Eigenart, beim Stehen über dem Knie zu gehen, aber beim Sitzen das Knie zu bedecken. Was ist hier zu machen? Und dann beginnt das Diskutieren.
Deswegen hat eine schriftliche Erklärung das Gute an sich, dass man es nun endlich erklärt bekommt.
Ob gewisse Regeln biblisch belegbar sind, wird in anderen Beiträgen untersucht. Hier kommt zuerst die Betrachtung des Regelerstellens an sich.
In diesem Buch findet man ab Seite 142 das Kapitel „2.5 Gemeinde und Ethik“. Dort wird in dem Unterkapitel „Verantwortung und Autorität der Gemeinde“ folgende Argumentation präsentiert:
- Die Gemeinde hat drei Hauptaufgaben
- Gott zu verherrlichen.
- Den geistlichen Wachstum der Gemeindeglieder fördern.
- Verlorene Menschen zu Christus zu bringen.
- Die Gemeinde trägt die Verantwortung über die Lehre:
- Zur Heiligkeit,
- Den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen,
- Und ebenso auch was die Bereiche „Absonderung der Welt“, „sittliche Kleidung“ usw. betrifft.
- Die Gemeinde kann sich nicht nur auf das Positive konzentrieren, sondern muss auch ethische Themen ansprechen
- Mt 16,19 und Mt 18,18 sprechen von „Lösen“ und „Binden“
- Beide Begriffe waren Fachbegriffe der jüdischen Rechtsprechung
- Die zugrundeliegenden aramäischen Wörter entsprechen am ehesten den Wörtern „verbieten“ und „erlauben“ oder „für verboten“ oder „für erlaubt erklären“
- „Mit dem zukünftigen Amt des Petrus verbindet Jesus die Befugnis, Regeln und Satzungen, gleichsam eine Hausordnung aufzustellen, welche für die Hausgenossen verbindlich ist“ (Eben-Ezer, 2022, S.145)
- „Solche Verantwortung und solche Vollmacht überträgt Jesus der christlichen Gemeinschaft“ (Eben-Ezer, 2022, S.145)
Die wichtigsten Bibelstellen für das Argument, dass eine Gemeinde Regeln erstellen darf, sind die aus Matthäus 16 und 18. Dort steht:
18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen.
Matthäus 16,18-19
19 Und ich will dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein; und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.
Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, das wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein.
Matthäus 18,18
Weil Jesus dem Apostel Petrus die Vollmacht zu binden und zu lösen gegeben hat, bedeutet es, dass die Gemeinde nun die Erlaubnis hat, ethische Verhaltensregeln verbindlich zu erstellen.
Und aus dieser abgeleiteten Befugnis wird nun mit vielen Bibelstellen und Begründungen argumentiert. Ein weiteres Zitat ist lautet:
„Bezogen auf die innere Verwaltung des Hauses Gottes gibt unser Text einer lebendigen Gemeinde und ihren Leitern das Recht, durch schriftbegründete Lehre und Ermahnung verbindliche Grenzziehungen zur Sünde vorzunehmen, …“(Eben-Ezer, 2022, S.146)
An sich ist es nicht falsch, Grenzen zu Sünde zu ziehen. Es ist sogar gut. (Nur wer zieht für wen die Grenzen? Das ist für einen weiteren Beitrag vorgesehen).
Die Frage ist eben nun, was hier in der Definition als „Sünde“ gesehen wird.
Und das ist meines Erachtens ein großes Problem in der ganzen Argumentation. Sobald sich die „Erlaubnis“ und die „Autorität“ aus den Texten aus Matthäus genommen haben, wird ein Konstrukt aufgebaut, das sehr schwer zu entwirren ist.
Auf den Text aus Matthäus, hat sich die Kirche über die Jahrhunderte natürlich die Frage über die Vollmacht des Bindens und Lösens gestellt und war sich weitgehend einig, dass die Gemeinde auch weiterhin die Autorität dazu besitzt.
Aber wenn die Vollmacht als Vollmacht zum Erstellen von Verhaltensregen gedeutet wird, würden die meisten Ausleger da nicht mitgehen. Man kann keinen Begriff „umdeuten“ und dann behaupten, dass die meisten Ausleger sich darin einig sind. Denn die meisten Ausleger sind sich einig in Bezug auf das, was diese Verse im Kontext heißen, nämlich Gemeindezucht.
Kommentatoren, die es als Erlaubnis zum Erstellen von „Regeln“ sehen, gibt es auch, aber darauf gehe ich später ein.
Zuerst möchte ich aber an einem Zitat aus Grudems Dogmatik (aus dem Kapitel von der Genugsamkeit der Schrift) zeigen, wie er das zum Beispiel sieht (Fett von mir):
Manche haben argumentiert, dass das Binden und Lösen sich nicht auf Handlungen der Gemeindezucht beziehe, sondern auf eine Vollmacht, verschiedene Verhaltensregeln zu erlassen, weil in der rabbinischen Literatur, die von jüdischen Lehrern etwa aus der Zeit Jesu kommt, die Worte binden und lösen manchmal für das Verbieten und Erlauben verschiedener Verhaltensformen gebraucht würden. Diese Interpretation erscheint uns jedoch nicht überzeugend, weil diese rabbinischen Aussagen eine viel weiter entfernte Parallele darstellen als die Aussage von Jesus selbst in Mt 18,18, wo es ganz eindeutig um Gemeindezucht geht. Außerdem lässt sich schwer ermitteln, welche rabbinischen Parallelen aus der Zeit vor dem Neuen Testament stammen, oder belegen, dass solche Worte im gewöhnlichen Vokabular Jesu und seiner Zuhörer als Fachbegriffe gedient hätten. Tatsächlich beweist Mt 18,18 dass sie nicht in dieser Weise als Fachbegriff fungieren konnten, denn sie wurden in jenem Vers vielmehr in Bezug auf Gemeindezucht verwendet. (Grudem, 2013, S.988-989)
Nehmen wir mal an, es ist tatsächlich so, dass diese Begriffe für die Gemeindezucht verwendet werden, so wie Grudem es auslegt. Dann haben wir ja die (dunkle) Stelle aus Mt 16,19 mit der (hellen) Stelle aus Mt 18,18 ausgelegt. Ist es nicht genau das Schriftprinzip, das in der Reformation durch Sola Scriptura vermittelt wurde? Dass sich manche dunklen Stellen durch helle Stellen auslegen? Und dass wir nicht eine Lehre auf einen Vers aufbauen dürfen?
Wenn es nun um Gemeindezucht geht und hier nicht der Gemeinde die Erlaubnis erteilt wird, verbindliche Regeln zu erstellen, so ist dann die folgende Diskussion über die Autorität des Erstellens von Regeln ja nichtig.
Denn Verordnungen in der Gemeinde haben ihren Platz. Aber die Frage ist, wie tiefgreifend sie gehen dürfen? Sind es organisatorische Dinge oder Vorschriften, die eine Bewertung des geistlichen Lebens des Gemeindegliedes ermöglichen? Darauf und über die Auslegung zu Matthäus 16 und 18 werde ich weiter unten schreiben, denn das sind Punkte, die noch ausführlicher angegangen werden sollen.
In diesem Beitrag haben wir die Definition betrachtet und einen Kommentar dazu gelesen. Aber das ist nicht das einzige Argument, warum eine Gemeinde die Erlaubnis hätte, Verhaltensregeln zu erstellen.
Der nächste Beitrag behandelt das Argument, dass Leiter der Gemeinde die Autorität haben, Regeln zu erstellen. Hier geht es zum nächsten Beitrag: #10.2 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Gehorcht euren Leitern
Ich hoffe, das hat dir bisher einen kleinen Überblick über das Thema „Gemeinderegeln“ in russlanddeutschen Gemeinden gegeben.
Liebe Grüße
Simon
Quellen:
Bruderschaft der EvangeliumsChristen-Baptisten >>Eben-Ezer<< (2022). Ihm in allem wohlgefällig: Biblische Grundsätze eines für Gott abgesonderten Lebens
Grudem, W. A. (2013b). Biblische Dogmatik: eine Einführung in die systematische Theologie. (1.Auflage, 3.Druck) arche-medien
Blue, Ken (2011). Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch. Brunnen Verlag
Peters, B. (2019). Der Brief an die Römer. (1.Auflage) CLV-Verlag
Carson, D., Longman, T. and Garland, D. (2017) Matthew. Zondervan Academic. Available at: https://www.perlego.com/book/560682 (Accessed: 13 June 2024).
Jung, F. & Derksen, H. (2020). Angekommen?!: fünfzig Jahre freikirchliche Russlanddeutsche in Deutschland (1.Auflage 2020). Lichtzeichenverlag GmbH.
Wilkins Bob. What Could Peter Bind or Loose (Matthew 16:19)?.https://faithalone.org/blog/what-could-peter-bind-or-loose-matthew-1619/
Calvin, J. (1997). Unterricht in der christlichen Religion – Institutio Christianae Religionis (6. Aufl.). Neukirchener Verlag. https://www.calvin-institutio.de/display_page.php?elementId=61