Ich freue mich, dass du hier gelandet bist. Wir befinden uns im siebten Beitrag zu den Gemeinderegeln. Falls du die vorherigen Beiträge nachlesen möchtest, sind sie hier aufgelistet:
- #10.1 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Definition der Begriffe
- #10.2 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Gehorcht euren Leitern
- #10.3 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Die Gewissensfragen aus Römer 14
- #10.4 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Martyn Lloyd Jones über verpflichtende Regeln in Kirchen
- #10.5 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Aber alle haben doch zugestimmt!
- #10.6 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Haben Timotheus und Titus auch Verordnungen aufgestellt?
- #10.7 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Gibt Jesus der Gemeinde diese Vollmacht, oder nur den Aposteln?
- #10.8 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? Darf die Gemeinde nun keine Verordnungen erstellen?
- #10.9 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? – Eine Zusammenfassung
Dieser Beitrag baut auf den vorherigen auf. Daher werden in diesem Beitrag viele Dinge nicht noch einmal erklärt oder definiert.
Im ersten Beitrag habe ich den Begriff „Gemeinderegel“ definiert. Dann habe ich die Argumente aus Matthäus und Hebräer etwas geschildert und versprochen, dass wir darauf eingehen werden. Nun will ich genau auf die Bibeltexte aus Matthäus eingehen.
Online findet ihr eine ziemlich gute Erklärung von Viktor auf christusallein.com unter der Überschrift Gemeinderegeln und die „Schlüssel des Himmelreichs“.. Dort geht er direkt auf diese Verse ein. Ich habe das erst nach meinem Beitrag gelesen und bin froh, dass er zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommt. Lest es euch gerne durch und denkt darüber nach.
Aber nun zu der Fragestellung:
Und was ist mit Matthäus 16,19 und 18,18?
Wir kommen zurück zu der Frage aus dem ersten Beitrag:
Was ist, wenn Matthäus 16 und 18 tatsächlich von der Erlaubnis sprechen, dass dem Petrus und den Jüngern die Erlaubnis gegeben wurde, Regeln zu erstellen?
Ich muss sagen, dass ich beim Durchsehen verschiedener Kommentare erstaunt war über die Vielzahl an Gedanken und Schlussfolgerungen. Besonders auffällig waren die Unterschiede zwischen den Kommentaren. Daher ist es nicht so einfach, eine absolut klare Erklärung zu geben, auch wenn ich das gerne wollte.
Bevor wir aber überhaupt darüber nachdenken, der Text aus Matthäus 16:
13 Als aber Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi gekommen war, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Leute mich, den Sohn des Menschen? 14 Sie sprachen: Etliche für Johannes den Täufer; andere aber für Elia; noch andere für Jeremia oder einen der Propheten. 15 Da spricht er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? 16 Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! 17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Sohn des Jona; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel! 18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen,[1] und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen. 19 Und ich will dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein; und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein. 20 Da gebot er seinen Jüngern, dass sie niemand sagen sollten, dass er Jesus der Christus sei.
Matthäus 16,13-20
Und nun der Text aus Matthäus 18:
15 Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. 16 Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. 17 Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner. 18 Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, das wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein. 19 Weiter sage ich euch: Wenn zwei von euch auf Erden übereinkommen über irgendeine Sache, für die sie bitten wollen, so soll sie ihnen zuteilwerden von meinem Vater im Himmel. 20 Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.
Matthäus 18,15-20
Und dann das Zitat aus dem Buch (ich habe die 2 wichtigen Begriffe hier in Farbe formatiert):
- Beide Begriffe „lösen“ und „binden“ waren Fachbegriffe der jüdischen Rechtsprechung
- Die zugrundeliegenden aramäischen Wörter entsprechen am ehesten den Wörtern „verbieten“ und „erlauben“ oder „für verboten“ oder „für erlaubt erklären“
- „Mit dem zukünftigen Amt des Petrus verbindet Jesus die Befugnis, Regeln und Satzungen, gleichsam eine Hausordnung aufzustellen, welche für die Hausgenossen verbindlich ist“ (Eben-Ezer, 2022, S.145)
- „Solche Verantwortung und solche Vollmacht überträgt Jesus der christlichen Gemeinschaft“ (Eben-Ezer, 2022, S.145)
Die Frage ist insofern berechtigt, da Binden und lösen zuerst als Begriffe für die Rechtsprechung verwendet werden. Außerdem stehen sie im Neutrum, also: „Was ihr bindet“ und „was ihr löst“ und nicht „wen“. Das wären gleich 2 Argumente die man ernst nehmen sollte.
Nun gäbe es aber mehrere Möglichkeiten, diesen Text zu sehen:
- Das Binden und Lösen bezieht sich in Mt 18,18 auf Personen (was dem Kontext nach offensichtlicher erscheint.)
- Dadurch würde es bedeuten, dass die Jünger die Macht hätten, Personen zu binden oder zu lösen.
- Dadurch sollte sich auch der Text in Mt 16,16 auf Personen beziehen, da die gleiche Satzkonstellation besteht.
- Oder das Binden in Mt 18,18 bezieht sich aufgrund des Kontextes auf Personen wie in 1. erwähnt, aber
- Das Binden/Lösen in Mt 16,19 bezieht sich aufgrund der Grammatik nicht auf Personen.
- Sondern das Binden/Lösen bezieht sich auf Dinge, Gebote / Verbote
- Die dritte Möglichkeit ist, dass es sich in beiden Texten (Mt 18,18 und Mt 16,19) auf Verbote/Gebote, also „Dinge“ bezieht, und nicht auf Personen.
- Dann stellt sich die Frage, wie es gemeint ist. Wie absolut diese Gebote/Verbote sind.
- Wie weit geht die Befugnis? Also ist die Befugnis an die Gemeinden „weitervererbt“ worden? Oder betrifft es nur die Apostel, an die das Wort gerichtet war?
Punkt 1 haben wir bereits durch den Kommentar von Grudem weiter oben erörtert und seine Meinung dazu gelesen. Er bezieht die Texte aufgrund des Kontextes auf die Gemeindezucht.
Punkt 2 wäre ähnlich, nur dass er teilweise die Gemeindezucht betrifft und teilweise die Möglichkeit, Regeln zu erstellen. Daher müssen wir dennoch Punkt 3 betrachten.
Zu Punkt 3:
Nun würden wir einmal annehmen, dass Jesus in Mt 16,19 zu Petrus Folgendes sagte:
Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben, und was du auf Erden verbietest, das soll auch im Himmel verboten sein, und was du auf der Erde erlaubst, das soll auch im Himmel erlaubt sein!
Also bedeutet das, dass Petrus zunächst die Zusage erhalten hat, dass die Gemeinde auf ihm gebaut wird. Dann hat er die Vollmacht erhalten, Gebote und Erlaubnisse zu erstellen, die auch von Gott akzeptiert werden.
Auch die anderen Jünger erhalten diese Vollmacht, Gebote und Erlaubnisse zu erstellen.
Welche Szenarien sind nun eher biblisch belegbar und wahrscheinlich? Hier wieder aufgeteilt in 3 Punkte:
- Petrus und die Jünger können Gebote und Erlaubnisse erstellen, die als grundlegend für die Gemeinde definiert werden. Gerade die Lehre von Petrus soll für die gesamte Gemeinde gelten. Diese Befugnis gilt jedoch nur den Aposteln allein, da in den Schriftstellen einmal Petrus und einmal die anderen Apostel mit „euch“ angesprochen werden.
Nur die Apostel haben diese gesetzgebende Autorität. - Wie in Punkt 1 erwähnt, haben die Apostel die fundamentalen Lehren für die Gemeinde erstellt. Aber nicht nur die Apostel hatten diese Befugnis; auch die einzelnen Gemeinden nach ihnen und deren Älteste verfügen über eine ähnliche Autorität.
Also haben alle Ältesten und Gemeindeleiter (oder ein besonderer unter ihnen?) seitdem eine apostolische Autorität. - Die Apostel hatten diese Autorität auf besondere Weise, während die Gemeinden und Ältesten in den späteren Gemeinden eine etwas abgeschwächte Autorität besitzen, die sich nur auf die lokale Gemeinde bezieht. Diese Autorität ist jedoch ebenso relevant für die Ortsgemeinden.
Zu Punkt 1 gibt es viele Bibelstellen. Tatsächlich ist es so, dass die Gemeinde auf dem „Grund der Apostel und Propheten“ aufgebaut ist (Epheser 2,20). Die Briefe von Paulus und den Aposteln bilden die Grundlage der Gemeinde und stellen die grundlegende Lehre dar. Eine andere Lehre haben wir nicht.
Wir finden dieses Prinzip auch in Apostelgeschichte 15, wo die Apostel nach dem Konzil einen Brief an die Heiden aufsetzten, um ihnen das Leben zu erleichtern. Allgemein spiegelt diese Überlegung die Praxis bei der Entstehung des Neuen Testaments wider. Die Apostel waren wie die Schriftgelehrten, die Gebote erstellten oder erließen.
In Bezug auf Matthäus 18 und die Gemeindezucht wird es nur dann einleuchtend, wenn damit auch die Regeln des Paulus für die Gemeinden gemeint sein könnten, etwa wann ein Mitglied ausgeschlossen werden soll und wann nicht. Paulus gab in seinen Briefen viele Anweisungen, denen die Gemeinde heute gehorchen sollte. Daher passt die Schlussfolgerung von Punkt 1 bis zu einem gewissen Grad.
Ist Punkt 2 jedoch wahr, so dass, nachdem die Apostel ihre Lehren und Gebote erstellt haben, auch die einzelnen Gemeinden die Macht haben, Gebote zu erstellen, dann stehen wir vor einem ernsthaften Problem. Das wäre genau das, was die römisch-katholische Kirche behauptet: dass sie die Befugnis hat, Gebote, Gesetze und andere Vorschriften zu erlassen. Sie behauptet, die Schrift zu bestätigen und sich somit über die Schrift zu stellen. Wenn das zuträfe, könnten wir als evangelische Christen nicht dagegen aufbegehren.
Denn wenn auch uns eine Obrigkeit oder ein Ältester gegeben ist, der in unseren Augen nicht passt, müssten wir ihm laut dieser Überlegung trotzdem gehorchen. Wenn in der Gemeinde Regeln erstellt werden, die der Schrift widersprechen, hätte die Gemeinde trotzdem das Recht auf ihrer Seite, da sie die Autorität dazu erhalten hat. Dies entspricht ziemlich genau der Praxis der römisch-katholischen Kirche und der Lehre der Unfehlbarkeit des Papstes. Das wäre sehr entmutigend für einen protestantischen Christen, denn damit stünde dem Missbrauch der Bibel nichts mehr im Weg.
Und diese Lehre führt in die Irre. Daher können wir den zweiten Punkt getrost verwerfen.
Nun, ich glaube auch nicht, dass in dem erwähnten Buch diese Meinung vertreten wird.
Daher bleibt uns noch der dritte Punkt: Dass die Apostel eine größere Autorität und Macht hatten als die späteren Gemeinden und Ältesten. Dennoch haben auch diese Ältesten eine gewisse Autorität, Verordnungen zu erstellen.
Es stellt sich hier nur die Frage: Woher nehmen wir aus dem Text diese Unterscheidung?
Hier gibt es keine Unterscheidung zwischen „jetzigen Aposteln“ und „späteren Gemeinden/Ältesten“. Eine solche Unterscheidung wäre entweder willkürlich oder müsste im Bibeltext irgendwo bestätigt werden. Natürlich nehmen wir die meisten Befehle aus den Evangelien auch für uns persönlich, wie den Missionsbefehl zum Beispiel. Andere Befehle hingegen sehen wir als situationsbedingte Anweisungen, wie die bei der Aussendung der Jünger. Dort erhielten sie spezifische Anweisungen, was sie mitnehmen sollten und wie sie sich verhalten sollten. Diese Anweisungen waren nur an die Jünger gerichtet. Auch das Austreiben von Dämonen und die damit verbundene Vollmacht betrachten wir nicht als primäre Aufgabe, die wir in den Städten durchführen sollten.
Wie ist das hier gemeint?
Eigentlich ist das nicht so relevant. Denn akzeptiert man, dass diese Vollmacht den Aposteln galt und dass wir (die Ältesten/die Gemeinde) diese Autorität ebenfalls erhalten haben, so ist von der gleichen Autorität die rede. Denn der Missionsbefehl war keine abgeschwächte Aufforderung an die Gemeinde. Eine Unterscheidung in unterschiedliche Autoritätsklassen ist hier nicht vorhanden.
Und damit landen wir … bei Punkt 2! Und das wollen und können wir nicht akzeptieren.
Weiter kommen wir zu dem anderen Problem: Wer hätte diese Vollmacht eigentlich? Jeder einzelne aus der Gemeinde oder nur die Leitung (als Äquivalent zu den Aposteln)? Gilt dann der Missionsbefehl aus den Evangelien auch nur für die Gemeindeleitung?
Ich finde, dass diese Auslegung über das Regelerstellen nur mehr Probleme bereitet, als sie löst.
Daher die Frage noch einmal: Woher nimmt eine Gemeinde oder ein Ältester das Recht, dass die Gemeinde die Autorität besitzt, die den Aposteln gegeben wurde?
Ausleger, die das Binden und Lösen mit der rabbinischen Tradition verbinden, sehen es allein auf die Apostel beschränkt. So Bob Wilkin, der die Kommentare von R.T. France und Leon Morris zur Rate zieht, bestätigt diese Ansicht, dass Gebote und Verbote gemeint sind, beschränkt sie aber trefflich nur auf die Apostel, denn sie haben die Grundlage der Lehre gelegt.
„Viele haben, wie Morris erwähnt, angenommen, dass Jesus damit sagen wollte, dass Petrus und die anderen Apostel (vgl. Mt 18,18) die Autorität hatten, zu bestimmen, wer in das Reich Gottes kommt und wer nicht (je nachdem, wer an Jesus glaubt und wer nicht). Aber das war hier nicht das Thema. Stattdessen sprach der Herr darüber, welche Praktiken in der Ortsgemeinde erlaubt und welche verboten sein werden.
In gewissem Sinne tun die Apostel dies auch heute noch. Ihre Schriften (einschließlich ihrer Berichte über die Lehren des Herrn Jesus) sagen uns, was Gläubige tun sollen und was nicht.
Paulus sagt in Eph 2,20, dass die Gemeinde auf das Fundament der Apostel und Propheten (mit Christus als Eckstein) gebaut ist. Die Apostel gehörten nicht nur zur ersten Generation der Christen, sondern sie waren auch führende Mitglieder des Fundaments der Kirche. Sie wurden vom Herrn benutzt, um uns die Anweisungen zu geben, die wir brauchen, um Gott zu gefallen.“ (Wilkins, 2024, übersetzt mit deepl)
Also, es wird nicht auf die Gemeinde ausgeweitet. Will man es auf die Gemeinde ausweiten, landen wir wieder bei Punkt 2. Das ist der Bereich, den wir nicht haben wollen, weil dann aus der Gemeinde eine Irrlehre wird. Und in welcher abgeschwächten Weise ist es an die Gemeinde „vererbt“ worden? Gibt es eine objektive Beurteilung oder eine Bestätigung in der Bibel dafür? Mir ist keine bekannt.
Weiter oben habe ich erwähnt, dass das Lösen und Binden sich aufgrund der Grammatik auf „Dinge“ bezieht. Aber das ist nicht immer so, wenn man Kommentatoren zur Rate zieht.
Daher möchte ich D.A Carson zu Matthäus 16,19 zitieren (fett von mir):
2. Bezieht sich das „was auch immer“ (ho) auf Dinge oder Menschen? Formal ist ho ein Neutrum, und man könnte „Dinge“ erwarten. Außerdem sprachen die Rabbiner von „Binden“ und „Lösen“, wenn es um die Festlegung von Halacha (Verhaltensregeln) ging: Schammai ist streng und „bindet“ den Menschen viele Dinge auf, während Hillel größere Laxheit zulässt und sie „löst“. Man könnte also argumentieren, dass Petrus in Apostelgeschichte 15,10 das loslässt, was bestimmte jüdische Gläubige binden wollen. Trotzdem ist es besser, das Binden und Lösen in V. 19 auf Personen zu beziehen, nicht auf Regeln. Das Neutrum hosa („was auch immer“) kommt in 18,18 vor, wo der Kontext verlangt, dass Personen gemeint sind. In der Tat wird im Griechischen das Neutrum von Personen häufig für Klassen oder Kategorien und nicht für Einzelpersonen verwendet. Der Kontext von V. 19 unterstützt dies, denn die „Schlüssel“ im vorangehenden Satz beziehen sich auf die Erlaubnis, das Reich zu betreten oder davon ausgeschlossen zu werden, und nicht auf Verhaltensregeln unter der Herrschaft des Himmels. Apostelgeschichte 15,10 ist kaum ein Beispiel für den gegenteiligen Standpunkt, denn dort geht Petrus nicht mit einem Gesetzesbeschluss vor. Die Gemeinde in Apostelgeschichte 15 strebt nach einem geistlichen Konsens, nicht nach einem auferlegten Halakot, und Jakobus steht mehr im Vordergrund als Petrus.
(Carson, Longman and Garland, 2017, 424)
Wir sehen, dass es nicht so eindeutig ist und der Kontext es eher in Richtung Gemeindezucht bringt.
Also zusammengefasst:
- Der Kontext von Matthäus 18,18 verlangt, dass von Personen die Rede ist.
- Das Griechische erlaubt das Neutrum für Personen in Klassen oder Kategorien.
- Der Kontext von Matthäus 16,19 unterstützt dies, da die Schlüssel Türen öffnen, durch die Personen und nicht Dinge gehen (vergleiche dazu die Strafrede Jesu an die Pharisäer in Lukas 11,52, wo es um Schlüssel und das Hineingehen geht).
Speziell zu dem Binden und Lösen und die Bestätigung durch den Himmel schreibt Carson er:
Im Gegensatz dazu wird Petrus, als er Jesus als Messias bekennt, gesagt, dass er dieses Bekenntnis durch die Offenbarung des Vaters erhalten hat und ihm die Schlüssel des Reiches gegeben werden – d. h., dass er durch die Verkündigung „der guten Botschaft des Reiches“ (4,23), die er durch die Offenbarung immer besser versteht, das Reich für viele öffnen und gegen viele verschließen wird. Dies wird in der Apostelgeschichte nicht in Abschnitten wie 15,10, sondern in Abschnitten wie 2,14-39 und 3,11-26 erfüllt, so dass der Herr auf diese Weise der Kirche diejenigen hinzufügte, die gerettet wurden (Apg 2,47) – oder anders ausgedrückt: Jesus baute seine Kirche (Mt 16,18)….Die periphrastischen Perfekte des Futurs sind also ganz natürlich. Petrus vollzieht dieses Binden und Lösen, indem er ein bereits gegebenes Evangelium verkündet und auf dieser Grundlage eine persönliche Anwendung vornimmt (z. B. Simon Magus). Was immer er bindet oder löst, wird gebunden oder gelöst sein, solange er sich an dieses göttlich offenbarte Evangelium hält. Er hat keine direkte Verbindung zum Himmel; noch weniger zwingen seine Entscheidungen den Himmel zur Einhaltung. Aber er kann beim Binden und Lösen autoritär sein, weil der Himmel zuerst gehandelt hat (vgl. Apg 18,9-10). Diejenigen, die er einführt oder ausschließt, sind bereits von Gott gebunden oder gelöst worden, gemäß dem Evangelium, das bereits offenbart wurde und das Petrus mit seinem Bekenntnis zu Jesus als dem Messias am deutlichsten erfasst hat.(Carson, Longman and Garland, 2017, 425)
Petrus handelt immer nur auf Grundlage der biblischen Offenbarung und nicht anders. Er hat die Vollmacht, da er sich an die göttliche Offenbarung hält. Er hat die Autorität nicht aufgrund seines Amtes, sondern aus dem Wort Gottes.
Also bleiben für mich hier nur zwei Optionen offen:
-
- Entweder diese Autorität ging in ihrer Vollmacht nur an die Apostel und endete mit ihrem Tod.
- Oder es handelt sich um Gemeindezucht; und diese Autorität ist auch der Gemeinde heute übertragen worden.
Dem Kontext und den Begründungen nach tendiere ich stark zu der Annahme, dass der Text im Kontext der Gemeindezucht verstanden werden sollte.
Aber beide Optionen haben ihre Berechtigung. Ich sehe hier jedoch tatsächlich keine Möglichkeit für eine spezielle Autorität, die der Gemeinde die Erlaubnis gibt, in ähnlicher Weise Verordnungen aufzustellen.
Was heißt das nun für uns? Hat eine Gemeinde nun überhaupt keine Autorität, Verordnungen zu erstellen oder überhaupt etwas zu ordnen? Wenn eine Gemeinde nun einen Beschluss fassen will und jemand „Gesetzlich!“ ruft, muss sie sich dann beugen? Nein, das ist nicht der Fall. Genau das werde ich im nächsten Beitrag betrachten.: #10.8 Darf eine Gemeinde Regeln erstellen? Darf die Gemeinde nun keine Verordnungen erstellen?
Ich freue mich, dass du bis hierhergekommen bist, und würde mich sehr darüber freuen, wenn dir meine Überlegungen etwas geholfen haben. Wenn du Fragen oder Einwände hast, kannst du die Kommentarfunktion nutzen, mich über die E-Mail anschreiben oder mich besuchen kommen. Die Adresse findest du im Impressum. Einen Kaffee und etwas zum Knabbern wirst du sicher erhalten.
Liebe Grüße
Simon
Quellen:
Bruderschaft der EvangeliumsChristen-Baptisten >>Eben-Ezer<< (2022). Ihm in allem wohlgefällig: Biblische Grundsätze eines für Gott abgesonderten Lebens
Grudem, W. A. (2013b). Biblische Dogmatik: eine Einführung in die systematische Theologie. (1.Auflage, 3.Druck) arche-medien
Blue, Ken (2011). Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch. Brunnen Verlag
Carson, D., Longman, T. and Garland, D. (2017) Matthew. Zondervan Academic. Available at: https://www.perlego.com/book/560682 (Accessed: 13 June 2024).
Wilkins Bob. What Could Peter Bind or Loose (Matthew 16:19)?.https://faithalone.org/blog/what-could-peter-bind-or-loose-matthew-1619/